VIDA EN LA CHAKRA
Erfahrungsberichte aus den Projekten ORGANISCHE DÜNGEMITTEL WAÑUNA & MOBILE GARTENBAUSCHULE - CHAKRAY KAMARIK
Dank der finanziellen Unterstützung der Schweizerischen Mennonitischen Mission SMM und der Vereinigung für Internationale Solidarität VIS kann die Stiftung Kishwar in Ecuador ein wegweisendes Vorhaben in den Bereichen der zukunftsfähigen Landwirtschaft und der Umweltbildung verwirklichen.
Das Wañuna-Düngerprojekt (organische Flüssigdünger, sowie feste und flüssige Mikroorganismen) unterstützt eine Form der Landwirtschaft, die Böden regeneriert, Ressourcen schont und sich an die lokalen Bedingungen anpasst.
Parallel dazu begleitet die mobile Gartenbauschule (Escuela Itinerante de Agroecología EIA) Chakray Kamarik verschiedene strukturfördernde Initiativen, bietet praktische und theoretische Kurse zu umweltfreundlichen Anbautechniken, den Rechten der Natur und zur aktiven Bürgerbeteiligung an.
Das gemeinsame Vorgehen hat zum Ziel, die Selbstversorgung der bäuerlichen Familien zu sichern, Frauen und Jugendliche zu stärken und die Zusammenarbeit zwischen den Gemeinschaften zum Schutz von Umwelt und Gesundheit zu fördern.
Am Pilotprojekt der EIA Chakray Kamarik beteiligten sich Familien aus fünf Gemeinden. Sie erhielten Setzlinge, organische Düngemittel und fachliche Begleitung – mit ökologischem, interkulturellem und geschlechtersensiblem Ansatz. In den anschliessenden Workshops wurden die Projekte evaluiert und weiterentwickelt. Aufgrund der positiven Ergebnisse und der Nachfrage aus weiteren Gemeinden werden die beiden Projekte nun zusammengeführt und regulär angeboten.
Bericht von ROCÍO SILVA
Projektbeteiligte in San Juan / Riobamba
Das Einzelkind Rocio lebt mit ihrem Ehemann, ihrem Sohn und ihrer Mutter in San Juan. Ihr Vater starb vor zwei Jahren. San Juan ist seit jeher ihre Heimat, ihre Tage teilt sie hingebungsvoll auf in die Arbeit im Haushalt, auf dem kleinen Ackerstück und der Pflege der Tieren.
Die Verantwortung für die Felder – und damit für die Selbstversorgung – tragen die Eheleute gemeinsam. Eine schwierige Aufgabe, die von Umwelt- und auch von Kulturfaktoren geprägt ist. Trotzdem haben sie sich bewusst entschieden, auf dem Land zu bleiben. Das einfache Leben in San Juan erleichtert es, den Sohn behütet aufwachsen zu lassen und die Mutter zu versorgen. Aber Wetterextreme – lange Dürreperioden, Frost, heftige Regenfälle oder eisige Kälte – erschweren ihre kleinen Unternehmungen mit Vieh und Ackerbau.
Gerade in dieser Unsicherheit sehen sie ihre Form des Widerstands darin, das Land zu pflegen, die Erde fruchtbar zu halten und auf Autonomie zu setzen, statt in den Strudel der industriellen Landwirtschaft zu geraten. Die Arbeit auf dem Feld beginnt mit der sorgfältigen Bodenvorbereitung; sie nutzen die saisonalen Regenfälle und die Vorteile eines guten, giftfreien Düngers.
Seit 2015 bewirtschaften sie ihr kleines Stück Land und bauen dort die wichtigsten Familiennahrungsmittel an.
In San Juan gebe es mehrere Familien, erzählt Rocío, die sich für die Agroökologie interessieren und die bereit sind, weiter zu lernen und Wissen miteinander zu teilen.
Dankbar erwähnt sie die Stiftung Kishwar, die ihnen Bocashi- und Biol-Dünger gespendet hat, als Anstoss, neue Wege auszuprobieren und sich für eine Landwirtschaft zu entscheiden, die Gesundheit und das Wohl der Kinder in den Mittelpunkt stellt.
Salat, Knoblauch, Blumenkohl, Brokkoli, Rettich und Rote Bete; ebenso traditionelle Andenprodukte wie die einheimische Kartoffel, Oca und Mashua und auch Heilpflanzen gehören zu ihren Kulturen. Manchmal reicht die Ernte sogar, um mit Nachbarn und Verwandten zu teilen.
Der Grossteil der Bevölkerung in der Gemeinde San Juan lebt von der Viehzucht. Rocío berichtet, dass die Böden durch den übermässigen Einsatz von Pestiziden und Agrochemikalien stark ausgelaugt sind und immer weniger Ertrag bringen.
Inmitten dieser destruktiven Praxis betrachtet sie organische Düngemittel als grosse Chance, um das Land wieder zu beleben. Sie erzählt, dass die Präparate, die sie auf ihren Feldern einsetzt, den Pflanzen Kraft verleihen und die Erde fruchtbarer machen. So finde Pachamama wieder zu neuer Vitalität.
Biol kommt sowohl den Weiden des Viehs als auch den Gemüsegärten zugute: Die Ernte fällt reicher aus, die Blätter sind grüner und grösser, der Garten wirkt lebendiger.
Bericht von PAULINA JARA
Projektbeteiligte in San Juan / Riobamba
Paulina versteht sich als Vertreterin der Agroökologie. Mit ehrfürchtiger, demütiger Haltung gegenüber der Pachamama (Mutter Erde) erzählt sie uns ihre Lebensgeschichte auf ihrer Chakra (Ackerfläche).
Ihr Ehemann, ihre Mutter und ihre Geschwister teilen die Arbeit auf dem etwa tausend Quadratmeter grossen Landstück das sie ernährt – die Erde nährt nicht nur den Körper, sondern auch den Geist. Paulina begann vor zehn Jahren mit der Agroökologie, pflanzte einheimische Bäume, um die Kulturen vor Frost zu schützen und widmet sich der Rettung des lokalen Saatguts. Ihre besten Verbündeten für die Produktion auf der Chakra sind die Bienen, die Mikroorganismen und die organischen Düngemittel.
Das Grundstück ist in mindestens sechs Teile aufgegliedert, wo sie Gras für die Meerschweinchen und Schafe, Ackerbohnen, Knollenfrüchte, Mais und Gemüse kombinieren. Während des Pflanzens der Kartoffelsorte Puña hat sie uns den Prozess und die Bedeutung der Agroökologie in ihrem Leben nähergebracht.
Die natürlichen Düngemittel geben sowohl dem Menschen als auch der Mutter Natur Leben.
Um die einheimische Kartoffel Puña zu pflanzen, wird der Boden zuerst mit Kalk angereichert, dann werden die Knollen gelegt und anschliessend der Bocashi-Dünger hinzugefügt – dieser enthält reifes Luzernengras, Melasse, Tiermist, Hefe und Phosphatgestein.
Das Verfahren erfolgt nicht zufällig, sondern ist das Ergebnis von Praktiken, Versuchen und einem tiefen Verständnis der Erde, dem Wind, der Sonne, dem Mond und den Tieren.
Paulina hat an mehreren Schulungen über landwirtschaftliche Techniken, Viehzucht und Agroökologie teilgenommen. Die Erkenntnisse aus der Agroökologie begeistern sie spürbar, sie entsprechen ihrer Art, das Leben zu ehren.
Seit Anfang dieses Jahres engagiert sich Paulina in der Gartenbauschule Chakray Kamarik, die von der Stiftung Kishwar in der Gemeinde San Juan angeboten wird.
Paulina tauscht ihre Erfahrungen aus und gibt ihre Praxiserkenntnisse weiter, welche hilfreich sind, beispielsweise bezüglich Einklang mit den Mondphasen.
Die Agroökologie ist ihrem Wesen nach eine ganzheitliche, integrale Disziplin: alles funktioniert in Symbiose, in Harmonie. Das ökologische Gleichgewicht hängt von Mikroorganismen, Fauna, Flora und den Menschen ab, weshalb es notwendig ist, ihre Zyklen zu respektieren und ihre Veränderungen zu berücksichtigen.
Paulina fühlt sich durch die Präsenz der Stiftung in der Gemeinde begleitet und motiviert, da es nicht nur um die Bereitstellung von Dünger oder die Beratung der Gärten geht. Die Fachkräfte überprüfen gemeinsam mit den Teilnehmenden Hypothesen oder verwerfen Möglichkeiten.
Paulina vertraut darauf, dass sich viele weitere Familien in der Region von der Agroökologie anstecken lassen und will gemeinsam weiter lernen resilient zu werden und besser aufeinander zu achten.